Till Warwas

Die Erschaffung der Welt hat nicht ein für allemal stattgefunden,
sie findet unabwendbar alle Tage wieder statt. (Marcel Proust)

Till Warwas verschenkt Zeit. Großzügig und ohne zu Zögern, teilt er sie mit vollen Händen an die Betrachter seiner Bilder aus. Seine Gemälde sind Kontemplationen des Zeitlichen. Sie bergen wie Gefäße Stimmungen, Licht und Schatten, Düfte und Witterungen. Till Warwas sammelt und bewahrt die Zeit in seinen Bildern für uns auf. Er legt nicht nur den Blick fest, sondern entscheidet, zu welcher Tageszeit er die einzelnen Momente zu einem Gemälde verdichtet, ob und wie oft er zurück kehrt, um das Bild zu beenden.

Er ist ein malender Alchemist, der uns auf seinen Bildern mitnimmt an den Ort an dem er gearbeitet hat, das Gefühl gibt, als hätte man selbst Stunden dort verbracht, den Wind gespürt, die Veränderungen des Himmels beobachtet und sich mit dieser Landschaft verbunden. Vor kurzem hat er auf Sylt gemalt. Er war zum ersten Mal auf dieser Insel und gleich gefangen von ihrer Schönheit. Das matte Grün des Schilfs, die Sand- und Ockertöne der Dünen und vor allem das Licht, dass an die französische Atlantikküste erinnert, begeisterten ihn und boten unerschöpfliche Motive. Leicht machte es ihm Sylt allerdings nicht. Beständiger Wind wehte hauchfeinen Sand auf die frische Ölfarbe und brachte ihn manchmal zur Verzweiflung. Pleinair Malerei heißt, sich jedem Wetter auszusetzen, Regengüsse abzuwarten, mit langweilig blauem Himmel zu hadern und auf interessantere Wolkenformationen zu hoffen, geduldig Fragen von neugierigen Spaziergängern zu beantworten und vor allem das Malen selbst, das jedes Mal anders ist. Ein Prozess des Entwerfens und Verwerfens, des Augenblicks der Euphorie, wenn alles zu stimmen scheint, der gleich wieder von Zweifeln abgelöst werden kann und schließlich die Entscheidung das Bild als vollendet zu betrachten.
Ganz anders das Entstehen der Stillleben. Ihnen wendet sich Till Warwas meist in den Wintermonaten zu, nutzt die wenigen Stunden in denen er mit Tageslicht arbeiten kann, für dieses Sujet.
Hier überlässt er nichts dem Zufall. Von der Auswahl der Gegenstände, dem Lichteinfall bis hin zu dem Aufbau. Dabei sind Till Warwas die Zwischenräume genauso wichtig wie der der Gegenstand selbst. “In der Landschaft kann ich mich in jede Richtung drehen, immer habe ich einen Raum; beim Stillleben muss ich ihn erst erfinden”, sagt er dazu. Ist der Aufbau beendet, beginnt die eigentliche malerische Arbeit. Es bereitet dem Maler spürbares Vergnügen die sinnliche Präsenz der abgebildeten Dinge, herauszuarbeiten. Die Falten der Tischtücher, der Glanz der gläsernen Gefäße, es scheint, als könne man die Gegenstände aus den Bildern herausnehmen.
Dabei spürt man die Achtung, die er malerisch selbst den einfachsten Gegenständen entgegenbringt und sie zum zweiten Leben erweckt.

Auf der Suche nach einer Begrifflichkeit, könnte man Till Warwas Malerei als zeitgenössischen Realismus bezeichnen. Für mich sind seine Bilder aber herausgelöst aus Stil und Zugehörigkeit. Sie sind Ausdruck und Geschenk an das Leben selbst. Sophia Wiesemann, Bremen